New York City – Einmal ist noch nicht genug!

Das nächste Abenteuer steht nun kurz bevor. Wir haben uns ja vorgenommen, mit dem Unimog nach New York City zu fahren, weil hinfliegen kann ja schließlich jeder. Bis ganz hinein nach Manhattan wollen wir fahren. Wie oft haben wir im Vorfeld der Reise mit unseren Freunden darüber geredet und wie kleinlaut sitze ich jetzt stocksteif auf meinem Beifahrersitz. Mitten im Gewühl der unzähligen highways, im Vorstadtwahnsinn des „Big Apples“ überrollt mich die Angst vor der eigenen Courage wie eine Welle, die mich sprachlos macht. Ich sehe überall nur noch Gefahren, links und rechts leuchten Verbotstafeln auf: „Trucks use other highway“, „Trucks must exit here, low bridges ahead“ blinkt es rot vor uns, ein Riesenleuchtschild nach dem anderen kündigt die niedrigen Brücken an. Wir haben ausgerechnet, dass wir nur unter Brücken durchfahren dürfen, die mindestens 11 inch hoch sind. Warum haben diese Amerikaner nur so viele Brücken über ihren highways und warum haben sie die nicht wenigstens höher gebaut, die können doch alle noch nicht so alt sein, das ist doch eine junge Nation… ?!. Vor uns taucht schon die nächste Brücke auf – Hilfe! 12-10 inch, also 12 inch nur in der Mitte, wir sind aber auf der ganz rechten Spur und überall um uns sind Autos…! Ich schicke ein Stoßgebet zum Himmel und wünsche mich in ein Flugzeug. Warum nur muss es immer das Extreme für uns zwei sein?! Karl wechselt die Spur Richtung Mitte, rund um uns wird wütend gehupt und schon sind wir  im Tunnel. Ich ziehe instinktiv den Kopf ein und – Gott sei Dank, es hat nicht gekracht und wir sind durch. Im Geiste sehe ich schon die Schlagzeile: „Zwei Österreicher missachten sämtliche Warnungen und müssen von der New Yorker Feuerwehr unter einer Brücke vom highway geborgen werden…“. Mein Fels in der Brandung in diesem ganzen Wahnsinn ist Karl. Er ist voll konzentriert aber völlig ruhig und sucht sich unbewegt den Weg durch diese Menge von Fahrzeugen. „Da kommt die nächste Bücke“, schreie ich inzwischen völlig aufgelöst, „da steht 9 inch, was machen wir denn jetzt“? „Na, dann umfahren wir sie halt“, antwortet Karl gelassen, zieht nach rechts in die Ausfahrt neben uns, umfährt irgendwie die Brücke und ist schon wieder drauf auf dem highway. Er ignoriert völlig die hysterischen Ausbrüche die von der Beifahrerseite kommen, er kennt mich gut genug, um zu wissen, dass ich in solchen Situationen gerne mal die Nerven wegschmeisse. Ich bin schweißgebadet und völlig am Ende, was würde ich nur ohne ihn machen… . Je näher wir Manhattan kommen, desto mehr bessert sich eigenartigerweise die Verkehrssituation und ich entspanne mich langsam wieder. Und dann ist tatsächlich der Augenblick da: Wir fahren mit dem Unimog auf dem Broadway mitten durch Manhattan, durch die Schluchten der riesigen Hochhäuser, um uns herum die unzähligen Leuchtreklamen, genau so wie man es aus dem Fernsehen kennt. Wir parken – ziemlich sicher verbotenerweise – mitten vor einer Kreuzung, sozusagen direkt unter der Ampel, vor einem Zebrastreifen – aber gleichzeitig auch unter einem „Broadway“-Schild. Wir hoffen, dass wir nicht gleich abgeschleppt werden,wollen unbedingt kurz aussteigen um ein paar Fotos zu machen und um wenigstens ein Bier trinken zu gehen, bevor wir auf die andere Seite des Hudson River zu unserem Campingplatz weiterfahren. Wild campen in New York City, darauf wollen dann sogar wir uns nicht einlassen… . Wir suchen uns eine Bar, fallen uns um den Hals und stoßen glücklich an auf das gelungene Abenteuer „Mit dem Unimog nach New York City“. Eines ist mir aber natürlich klar: Ohne diesen Mann an meiner Seite bzw. am Steuer wäre das Ganze nur eine verrückte Idee geblieben!

Wir kassieren Gott sei Dank keinen Strafzettel auf dem Broadway und machen uns auf zum einzigen Campground der wirklich in der Nähe vom Zentrum, d. h. gleich auf der anderen Seite des Hudson Rivers in New Jersey liegt. Alle anderen befinden sich mindestens 25 Fahrminuten außerhalb und wir haben uns daher doch am Ende für den sehr teuren „Liberty Harbor RV Park“ entschieden, von dem aus man mit der Fähre oder mit dem Zug in nur 10 Minuten direkt im Zentrum von Manhattan ist. An Campingplätzen an sich haben wir beide zwar keine besondere Freude, aber manchmal muss es eben sein und wir beißen in den sauren Apfel der da heißt: Für den Standplatz pro Nacht werden US$ 135,00 bis 150,00 (!) fällig. Dazu muss man wissen, dass auf vielen Campingplätzen in den USA eine Reservierung unbedingt notwendig ist, da die Check-in-offices und die Einfahrtsschranken am späten Nachmittag schließen und auch gar keiner mehr da ist, der walk-ins einchecken kann oder will. Hat man aber reserviert, ist immer irgendjemand da, der auf einen wartet. Ich möchte daher also reservieren, Karl aber meint, wie so oft, „Schau ma mal, vielleicht können wir uns ja doch irgendwo hinstellen und somit die hohen Standplatzgebühren, zumindest für die erste Nacht, sparen. Ich bin ziemlich sicher, dass das so nahe an New York City nicht funktionieren wird und versuche noch während der Fahrt online die erste Nacht zu reservieren, was aber nicht klappt. Ich schicke dann eine Email an den Campingplatz, in der wir unser Kommen ankündigen, erhalte aber keine Antwort, am Telefon meldet sich ebenfalls niemand. So treffen wir am späten Abend dort ein, die Schranke ist zu, ein check-in also erst wieder am nächsten Morgen ab 09.00 Uhr möglich. Wohin also für diese erste Nacht? Direkt neben dem Campingplatz, der eigentlich nur aus einer eingezäunten, lieblos asphaltierten Fläche besteht, befindet sich ein weiterer, riesiger, fast leerer Parkplatz. Davor steht ein Schild: „Benützung nur für Crew-Mitglieder mit Parkausweis“. Wir befinden uns nämlich direkt im Hafen, wo die Schiffe zur „Liberty“ und nach Manhattan ablegen. Wir wagen es, stellen uns auf diesen Platz, etwas versteckt, hinter ein Gebäude. Als wir den Unimog dann abgestellt haben, sehen wir direkt neben uns an einem Zaun montiert, das unübersehbare Schild „No overnight parking“. Egal, wir sind jetzt hier, wir bleiben – und hoffen das Beste… . Ich schlafe nicht besonders gut in dieser Nacht und höre ab dem Morgengrauen immer mehr ankommende Fahrzeuge. Um ca. 07.00 Uhr schaue ich mal aus dem Fenster und sehe, dass sich der Parkplatz stetig immer mehr füllt und die Ankommenden fragende Blicke auf unseren Unimog werfen. Ich überlege, Karl zu wecken, damit wir so schnell wie möglich den Platz verlassen, aber ich weiß sowieso wie er reagieren wird: „Lass da Zeit, des passt schon“. Ich schlafe also irgendwann wieder ein und werde als Nächstes von einem Klopfen und lautem „Hello, good morning“ geweckt. Karl fragt durchs Fenster was denn los sei und draußen steht natürlich: Der Parkwächter! Als nächstes hören wir: „Do you have a parking-permission“? Was für eine blöde Frage, er hat doch genau den Unimog und unsere österreichischen Kennzeichen gesehen, da werden wir ja ganz sicher einen Parkausweis für den Crew-Mitgliederplatz haben ,… .  Da uns eine Antwort dieser Art in unserer Situation aber als eher unangemessen erscheint, antwortet Karl sehr freundlich mit: „Nein, wir haben keinen Ausweis“. Der Parkwächter will daraufhin wissen, wann wir denn angekommen seien und wann wir beabsichtigen wegzufahren. Um einer Strafe für „overnight-parking“ zu entgehen, antwortet Karl, dass wir um ca. 05.00 Uhr früh angekommen wären und gleich um 09.00 Uhr  hinüber auf den Campingplatz nebenan wechseln würden. Wir hören ein ziemlich freundliches: „Ok, thank you“ und der Wachmann entfernt sich. Ich sage zu Karl: „Ich wette, der geht jetzt in sein Büro und überprüft das auf seiner sicher vorhandenen Kamera“, Karl meint: „Blödsinn, so interessant sind wir für den doch gar nicht, das ist für den viel zu viel Aufwand“. Ha, es dauert keine 10 Minuten, da hämmert er schon an die Tür. In gar nicht mehr freundlichem Ton hören wir ihn schreien, dass er auf seiner Kamera gesehen hätte, dass wir schon vor Mitternacht gekommen wären, er würde jetzt eine Wegfahrsperre auf eines unserer Räder montieren und das ganze koste uns eine Strafe von US$ 500,00! Na super, anstatt die Campingplatzgebühren zu sparen jetzt das – Eine teure Nacht! Ich rutsche tiefer unter meine Bettdecke, mache auf „Vogel Strauss“ und höre nur noch wie der Wächter draußen brüllt: „Come to the office and don’t forget to bring your credit-card“! Karl muss es wieder mal richten, er zieht sich an, murmelt etwas wie: „500 Dollar, der spinnt doch,… der Wachtler kann uns gar nix, … des schau i mir an!…“ und begibt sich in Richtung office. Ich bleibe im Unimog und höre nach ca. 10 Minuten, wie jemand kommt und die Wegfahrsperre entfernt – Wenigstens ein gutes Zeichen. Dann kommt Karl zurück mit weiteren, guten Nachrichten. Er hat sich erst mal von Beginn an geweigert, die Strafe zu zahlen und den Wachmann darauf hingewiesen, dass er nicht die Polizei wäre und somit so eine Gebühr nicht einfach festsetzen könne. Weiters hat sich dann herausgestellt, dass sowohl der Camping- als auch der Parkplatz dem gleichen Eigentümer gehören. Karl zeigt unsere Email und bekräftigt damit, dass wir ja eigentlich auf den Campingplatz wollten, aber keine Antwort auf unsere Reservierung bekommen haben. Daraufhin einigen sich die beiden, dass wir die normale Campingplatzgebühr für diese erste Nacht zahlen und dann sowieso noch weitere Nächte bleiben werden. Das ist für beide Seiten ok und wir haben zwar nix gespart aber sind auch der befürchteten Strafe entgangen.

Nach diesem aufregenden Tagesbeginn starten wir dann zur ersten unserer Touren durch New York City. Für mich ist es der erste Aufenthalt in dieser Stadt, Karl war in den 90ern schon einmal da und hat erfolgreich am New York Marathon teilgenommen. Ich werde mir hier eine detaillierte Schilderung der besuchten Sehenswürdigkeiten des „Big Apples“ ersparen, denn viele unserer Blog-Besucher waren entweder selbst bereits hier oder man kann alles in jedem Reiseführer nachlesen. Nur ganz kurz: Man sollte wirklich gut zu Fuß sein und sich Zeit lassen, um diese großartige Stadt auf sich wirken zu lassen. Wir besuchen natürlich Liberty, stehen mit Gänsehaut am „Ground Zero“, blicken ewig lange und wirklich fasziniert, am Abend von den Aussichtsterrassen des Rockefeller Centers auf das Lichtermeer der Stadt, essen wunderbare Pastrami Sandwiches in „Katz Deli“, schlendern durch das Künstlerviertel Soho mit seinen echt speziellen Boutiquen und Lokalen und feiern in einer kleinen Bar in meinen Geburtstag hinein. – Ja, ich habe wirklich – und ganz ohne dass wir es so geplant hätten – Geburtstag in New York City – ist das nicht einfach genial ?! Trotzdem freue mich total über die vielen Anrufe und whatsApp-Glückwünsche von zu Hause – weil ja – ich vermisse sie schon alle ein bisschen: Meine Stehbeisl-Crew, meinen Sonntags-Frühschoppen und die ganzen Mädels halt sowieso! Wie schön, dass sie alle an mich denken! Wir essen wunderbare Pasta in „Little Italy“, besuchen „Macy’s – das größte Kaufhaus der Welt und ich bin nur ganz kurz traurig, dass ich nichts kaufen kann, weil wir wirklich und ganz sicher und bei allerbestem Willen keinen Platz mehr für was auch immer im Unimog haben… . Wir genießen es, einfach zu zweit, ohne Worte, auf der großen, roten Treppe mitten am Times Square zu  sitzen, zwischen den blinkenden Leuchtreklamen rund um uns. Wir gehen echt viel zu Fuß, wir fahren Zug und U-Bahn und weil ich oft spät am Abend vor Müdigkeit wirklich keinen Fuß mehr vor den anderen setzen kann (Karl behauptet „will“), habe ich seit Neuestem auch eine Uber-App… – und bin davon begeistert! Nach ein paar Tagen hat Karl genug von der Großstadt und möchte weiterfahren. Ich habe mich ein bisschen in diese Stadt verliebt und wäre gerne noch geblieben. So vieles hätte ich hier gerne noch gesehen und erlebt. Aber: „New York City –  ich verspreche Dir: Ich komme wieder – und dann – …. dann bring‘ ich meine Mädels mit.. !“

Das einzige was diese Tage in New York City ein kleines bisschen trübt, ist diese tägliche Rückkehr auf den lieblos angelegten Asphalt-Campground, der wirklich mit gar nichts außer mit seiner unangefochten, genialen Nähe zu Manhattan punkten kann. Die Mitarbeiter sind desinteressiert, die Waschmaschinen und Trockner schlucken meine Vierteldollar ohne Ende aber auch ohne jede Wasch- oder Trockentätigkeit und der Übernachtungspreis  ist dafür einfach echt unverschämt. So fällt uns der Abschied ein bisschen weniger schwer, als wir uns aufmachen, um weiter in Richtung unseres nächsten Ziels, den Niagarafällen, zu fahren.

Die Reise führt uns nordwestwärts durch den sehr ländlichen und jetzt im Frühjahr in allen Farben blühenden Staat New York. Wieder bleiben wir nur kurz auf dem großen, langweiligen highway und wechseln bald auf die kleineren Straßen. Große Farmen wechseln sich mit kleinen Ortschaften ab. Wir überholen schwarze Pferdekutschen der „Mennoniten“ bzw „Amish-People“, die sich seit ca. 1820 vereinzelt auch in diesem Staat, vermehrt aber im benachbarten, kanadischen Ontario niedergelassen haben. Nach wie vor leben sie traditionell und lehnen jegliche motorisierte Unterstützung in ihrem Alltag ab. Die Häuser die wir in und außerhalb der Ortschaften passieren, sind alle sehr gepflegt, der Rasen rundherum erinnert an einen Golfplatz, besonders an den Wochenenden sieht man überall die Männer auf ihren Aufsitzrasenmähern, die dafür sorgen, dass das Gras ja keinen Millimeter höher wächst als das beim Nachbarn. Nur die überall neben den Häusern geparkten Snowmobile und die Schilder mit Snowmobilfahrern entlang der Straßen zeigen, dass die Herren im Winter wohl andere fahrbare Untersätze verwenden.

Ein absolutes highlight auf unserer Reise durch New York State ist dann der Stopp im „Robert H. Treman State Park“, einem echten Naturjuwel. Wir parken mitten im Wald, ganz in der Nähe eines Wasserfalls mit einem kleinen Naturschwimmbecken. Es hat ungewöhnliche 30 Grad in diesen Tagen und wir genießen so manchen Sprung ins kühle Nass. Gleichzeitig kontrollieren wir, ob die Kleidung, die sich in der Transportkiste über dem Führerhaus befindet, in trockenem Zustand ist. Damit ist alles ok, hingegen sind die Sachen die sich direkt daneben in einem Beutel im Inneren des felgenlosen Reservereifens befinden, leider komplett nass. Die Hülle drumherum dürfte wohl nicht wirklich wasserdicht sein. Wir hängen alles in die Sonne zum Trocknen und verpacken es anschließend zusätzlich in Plastiksäcke, bevor es wieder nach oben wandert. Wir werden es wohl weiterhin kontrollieren und gegebenenfalls umräumen müssen. Falls einige der geschätzten Leser jetzt das Foto dazu vergrößern und sich fragen, wem denn die ganzen Schuhe vorne auf dem Unimog gehören – Na ja, es sind halt zwei Jahre und man weiß ja nie was man so braucht,…!

 

Schließlich erreichen wir den Lake Ontario und finden einen wunderbaren State-Campground, ca. 20 Miuten entfernt von den Niagarafällen gelegen,  direkt am Seeufer. Die Stellplätze auf den staatlichen Campgrounds sind so weit voneinander entfernt, dass man seine nächsten Nachbarn kaum bemerkt. Die Preise sind ok, wir kochen gemütlich, leeren eine Flasche Wein, bewundern die im Lake Ontario versinkende Sonne und, wie immer, finden sich nach und nach jede Menge freundlicher Amerikaner bei uns ein, die den Unimog bewundern und uns zu sich ans Lagerfeuer einladen. Ich bin zu müde, Karl ist wahrscheinlich froh, sich mal mit anderen Leuten als mit mir unterhalten zu können und unsere Nachbarn freuen sich wirklich, dass er ihnen Gesellschaft leistet und alle ihre interessierten Fragen zu unserer Reise und natürlich vor allem wieder mal zum Unimog beantwortet.

Die Niagarafälle besuchen wir dann bei weiterhin wunderbarem Wetter, so wie wir überhaupt bisher, seit unserer Abreise, mit ganz wenigen Ausnahmen, nur mit Sonnenschein verwöhnt worden sind. Wir fahren sie von der US-Seite an, da sich dort auch unser Campground befindet. Wir haben extra das Wochenende vorübergehen lassen und am Montag sind, wie erhofft, nur wenige Besucher da. Nach den ersten Fotos besuchen wir, sehr edel in gelbes Plastik gehüllt, die „Caves of the wind“, wo man zu Fuß über verschiedene Treppen und Holzplattformen bis ganz nahe an die amerikanischen Fälle herangehen kann. Entsprechend nass begeben wir uns anschließend zum Trocknen in Richtung der „Rainbowbridge“, welche die amerikanische mit der kanadischen Seite der Fälle verbindet. Wir wissen, dass sich die größten Attraktionen und die schönste Aussicht auf der kanadischen Seite befinden und haben vorsorglich unsere Pässe mitgenommen, um nun über die Fußgängerbrücke nach Kanada zu wechseln. Der Grenzübergang – egal ob hin oder zurück – stellt sich dann als relativ harmlos heraus. Die Kanadier wollen bei der Einreise lediglich die Reisepässe und unsere Impfnachweise sehen, die Amerikaner sind bei der Rückkehr in die USA am Abend ebenfalls sehr entspannt, Pässe, ein Foto und das war’s. Der Blick auf die kanadischen „Horseshoe-Falls“ ist dann wirklich noch einmal viel besser als von der amerikanischen Seite. Natürlich muss einem aber klar sein, dass das Naturschauspiel der Niagarafälle durch die fast abartige Vermarktung teilweise nahezu in den Hintergrund rückt. Man fühlt sich wie mitten im Wiener Prater zwischen Riesenrad, Geisterbahn, Souvenirshops und riesigen Hotelkästen und Casinos. Aber bei der Fahrt bis ganz nahe an die Wasserfälle mit der „Maid of the mist“auf amerikanischer Seite oder mit der „Hornblower“ bei den Kanadiern ist das alles vergessen. Man fühlt sich wie mitten im Auge eines Orkans, das schäumende Wasser brodelt rund um das Schiff, man spürt hautnah dessen unvorstellbare Kraft, wenn der Wind einem die Wasserfontänen waagrecht ins Gesicht peitscht. Man mag von der disneylandartigen Vermarktung der Fälle halten was man will – Alleine für dieses eine Erlebnis hat sich für uns der Besuch auf jeden Fall gelohnt!

Am nächsten Tag passieren wir dann auch mit dem Unimog wieder die Grenze nach Kanada. Alles „Wichtige“ haben wir, nach den Erfahrungen an der Grenze zur USA, diesmal wirklich gut versteckt und sind für jegliche Durchsuchung bestens gerüstet. Der kanadische Beamte verlässt dann aber nicht einmal seine Kabine, kontrolliert kurz unsere Pässe, notiert lediglich unser Autokennzeichen, wünscht uns dann eine gute Reise und meint, dass er sehr gerne mitkommen würde mit uns bis nach Südamerika, ob wir nicht vielleicht noch irgendwo ein Plätzchen für ihn im Unimog hätten,… – Ja, und das war’s jetzt schon? Aha, so geht’s also auch – Eh super!

Obwohl in unserem Reiseführer so viel Interessantes über Toronto zu lesen ist, steht uns im Moment nicht der Sinn nach einer großen Stadt und wir lassen sie sozusagen „links liegen“. Außerdem sind wir ja ohnedies auf dem Weg in die kanadische Hauptstadt Ottawa. Wie kommen dabei, entlang der „Finger lakes“, durch eine, in Ontario sehr bekannte, Weingegend und besuchen dort gleich eine der vielen „Winerys“, die überall mit Schildern an der Straße werben. Da wir ja in der nächsten Zeit keine Grenzkontrollen zu befürchten haben, würden wir gerne unsere Weinvorräte etwas auffüllen und – wo kann man das denn wohl günstiger tun als direkt beim Weinbauern? Ja, das gilt vielleicht in Österreich, aber halt nicht in Kanada. Völlig überrascht stehen wir im wunderschönen Verkaufsraum vor den Regalen, an denen die Flaschenpreise sich zwischen CAN$ 30,00 und CAN$ 90,00 bewegen. Unser Einkauf beschränkt sich dann auf ein absolutes Minimum von drei Flaschen, wobei uns zusätzlich auch noch eine Verkostung von drei winzigen Schlucken mit CAN$ 20,00 in Rechnung gestellt wird. Wir haben wieder mal was dazugelernt und kaufen unseren Wein in Zukunft wieder im braunen Papiersackerl im „Liquor-Store“!

Wir wollen, wie meistens, wild übernachten und finden zufällig einen wunderbaren, völlig einsamen Platz an einer winzigen Kiesbucht, diesmal auf der kanadischen Seite des Lake Ontarios, in der Nähe von Port Hope. Während wir kochen, kommt ein älterer Herr mit grauem Bart in seinem Auto und fängt an, sich mit uns sehr nett zu unterhalten. Nach dem üblichen smalltalk verabschiedet er sich und fährt weg, kommt aber, während wir grade beim Essen sitzen, zurück und hat eine Flasche Weißwein und einen Plastikbecher bei sich. Er fragt, ob wir die Flasche für ihn öffnen können, schenkt sich danach selbst einen Schluck davon ein und stellt dann die Flasche vor uns als Geschenk auf den Tisch. Wir sind total überrascht und bitten ihn bei uns Platz zu nehmen. Von unseren Wurstnudeln will er nichts (selber schuld, die sind nämlich super,…), aber Bob erzählt uns aus seinem Leben: Er komme sehr oft an diesen Platz, um die Tiere zu füttern, er kenne alle Enten und Schwäne und deren Kinder, unterhalte sich mit dem Biber hinten im Wald, für den er oft spezielle Lieder singe,… . Reisende, so wie uns, habe er sehr gerne, denn das seien meistens sehr freundliche Menschen. Er bewundert den – wie er sagt – Luxus unserer Unimogkabine und unter anderem erfahren wir von ihm, dass er 42 Monate lang obdachlos war und in dieser Zeit in seinem Auto gewohnt hat. Dass er dabei die Winter in Florida verbracht hat, weil es nur dort warm genug für diese Art von „Leben“ war, aber dass er dort leider auch sehr oft von der Polizei verjagt wurde, einmal sogar zwei Tage vor Weihnachten von einem Platz vor einer Kirche. Das alles erzählt er ohne Schuldzuweisungen zu machen und in einer unwahrscheinlich ruhigen und liebenswürdigen Art. Als er sich dann mit einem „God bless you for your journey“ verabschiedet, meint er noch, er hätte uns ja so gerne morgen zum Frühstück eingeladen, aber in seinem kleinen Appartement das er seit kurzem wieder bewohne, sei dafür einfach nicht genug Platz.  Noch lange danach sitze ich an diesem Abend alleine im Dunkeln am Ufer des Lake Ontarios und denke über diese sehr spezielle Begegnung nach. Über Menschen wie Bob, die am unteren Ende der Gesellschaft leben, aber so selbstverständlich eine Flasche Wein mit uns teilen, die ihn, wie wir seit dem Vormittag wissen, sicher einiges Geld gekostet hat. Ich ärgere mich, dass wir es verabsäumt haben, IHN für den nächsten Tag in ein Lokal zum Frühstück einzuladen, aber jetzt ist es leider zu spät. Ich versuche mir vorzustellen, wie es wäre, fast vier Jahre lang in einem Auto leben zu müssen und nehme mir wieder einmal vor, mich nicht ständig über irgendwelche, völlig sinnlosen, Kleinigkeiten aufzuregen und das Geschenk unserer Reise ab sofort noch viel mehr zu genießen.

Am nächsten Tag, wir fahren gerade entspannt auf dem highway, als hinter uns die Lichter eines Polizeiwagens aufblitzen. Wir nehmen die nächste Ausfahrt und ein junger Polizist hält hinter uns an. Er kommt zur Fahrerseite und fragt Karl, was das denn für Autokennzeichen auf dem Unimog wären, er hätte die noch nie gesehen. Karl antwortet kurz mit „Austria“ und, wie im Vorfeld für solche Kontrollen abgesprochen, stellen wir uns anschließend bezüglich unserer Englischkenntnisse ziemlich blöd. Karl antwortet auf die Frage des Polizisten, warum wir keine Kennzeichen für Ontario, Kanada hätten, nur: „Yes, yes, Kanada, very beautiful“. Der junge Beamte gibt es relativ schnell auf, Karl sinnvollere Antworten auf seine Fragen zu entlocken und will dann nur noch wissen, ob wir eine kanadische Autoversicherung haben. Ja, natürlich haben wir die, ich steige aus und hole sie von hinten aus der Kabine. Er versucht dann auch mich noch zu fragen ob ich vielleicht besser englisch sprechen würde, da er außer meinem besonders freundlichen Lächeln aber keine Antwort erhält, gibt er es schließlich auf. Er verzieht sich mit unseren Papieren in sein Polizeiauto, bringt uns diese nach ca. zehn Minuten zurück und verabschiedet sich mit einem sehr freundlichen „Very, very nice camper, really very nice!“. So kann das weitergehen!

Am Abend erreichen wir Arnprior, in der Nähe von Ottawa, wo uns unsere besonders lieben Freunde, Adi und Ann, ihr Sohn David und seine Freundin Sarah schon erwarten und herzlich begrüßen. So oft schon haben wir ihnen einen Besuch versprochen, normalerweise haben wir uns wenigstens einmal pro Jahr in Bad Ischl gesehen, aber durch Corona ist auch das in den letzten Jahren ausgefallen. Einige Tage werden wir hier bei Ihnen verbringen, bevor es dann weiter nach Westen geht.

 

 

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4 Comments

  1. Meine Lieben, es ist so packend eure Berichte zu lesen und wir sitzen im Garten in Gerasdorf bei 30 Grad strahlenden Sonnenschein.
    New York wollen wir auch wieder einmal besuchen wenn uns die Gartenarbeit aus lässt. Für Peter ist es die Abwechslung zur Bank und er kann richtig gut abschalten. Ich genieße die Tage und meine Pension.
    Alles Liebe auf bald mit euren super Berichten. Gelogen nur du Rebecca bist die super Autorin.

    1. Liebe Mercedes, lieber Peter, danke für Euren lieben Kommentar!
      Vielleicht schmeißt ihr Euch ja mal in ein Flugzeug und wir treffen uns irgendwann, irgendwo,… .
      Liebe Grüße Rebecca und Karli

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